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Sind Skalen zur Mitarbeitendenbeurteilung noch zeitgemäß?

Von Jutta Niedermair
Veröffentlicht 27.07.2022

Die Frage, ob es heute noch angebracht ist, Rating bei der Leistungsbeurteilung einzusetzen ist ein vieldiskutiertes Thema. Die Unzufriedenheit ist weit verbreitet da Leistungsbeurteilungen als zeitraubend, ungenau, verwirrend, aber auch als ungerecht und demotivierend empfunden werden. Die Erfahrungen zeigen, dass Menschen bei der Leistungsbeurteilung voreingenommen sind und dazu neigen, eher „nett“ als „genau“ zu sein. Lt. einer Gallup-Studie gibt nur einer von 5 Arbeitnehmer:innen an, dass sich die Leistungsbewertung im eigenen Unternehmen motivierend auswirkt.[1]

Allen voran sind es Unternehmen wie Adobe, Microsoft, Accenture oder Deloitte die ihre Leistung nicht mehr anhand von einer Zahl definieren. Statt Performance Ratings sollen Qualitätsgespräche und regelmäßige Feedbacks zum Einsatz kommen.

Klingt erstaunlich …  In der Praxis zeigt sich jedoch, dass es ganz ohne Ratings doch nicht funktioniert. Wenn man sich die Unternehmen ohne Bewertungssysteme genauer ansieht, stellt man fest, dass parallel zur Umstellung Programme und Methoden zur Mitarbeitendenbindung und Leistungsentwicklung eingeführt wurden. Die Enttäuschung könnte groß sein, ob die neu eingesetzten Kommentarfelder tatsächlich etwas an der Situation ändern.

Wie kann man Leistungsbeurteilungen neu denken?

Performance Management beruht auf der Annahme, dass Mitarbeitende sich entwickeln und durch entsprechende Maßnahmen und Anstrengungen verbesserte Leistungen und Ergebnisse erreicht werden können.[2]

Um entsprechende Personalentwicklungsmaßnahmen in die Wege zu leiten, muss einmal ausfindig gemacht werden, wo und bei wem welcher Bedarf besteht. Dazu sind Leistung, Verhalten und Entwicklungspotential zu beurteilen.[3] Das Unternehmen muss wissen wie die Leistung ihrer Mitarbeitenden aussieht, um wettbewerbsfähig zu bleiben und um Wachstum zu ermöglichen.

Das Positive an Bewertungen ist, dass sie einen quantifizierbaren Blick auf die Leistung geben. Welche Mitarbeitenden sind am effektivsten? Welche könnten sich zu einer Führungskraft entwickeln? Gibt es Defizite, die sichtbar werden usw.

Datengestützte Entscheidungen stellen eine Basis dar, wenn es um Beförderungen, Gehaltserhöhungen oder um die Weiterentwicklung geht da die Entscheidungen sonst ungenau oder voreingenommen getroffen werden. Für die Mitarbeitenden ist es außerdem wichtig die Hintergründe zu diesen Entscheidungen zu verstehen und was von ihnen erwartet wird. 

Problematiken bei der Skalierung

Problem der Bewertungsskalen ist nicht das Bewertungssystem an sich, sondern die schlechten Daten, da diese der Einfachheit halber auf sämtliche Bereiche der Beurteilung angewandt werden. So können ungewollt nicht die richtigen Leute gefördert und Mitarbeitende mit Potential übersehen werden.

Meistens kommen 5-Punkte-Skalen zum Einsatz (von 5 – Herausragend bis 1 – Inakzeptabel) die von den Zielen bis zu den Kompetenzen reichen. Kritisch daran ist, dass man bestimmte Kriterien nicht bewerten kann, da sich beispielsweise Ziele nicht in einer Skala einstufen lassen und hier eine andere Definition wie beispielsweise „erreicht“ oder „in Arbeit“ gefunden werden müsste. Das gleiche gilt auch bei Entwicklungsaufgaben oder Leistungen. Die Entwicklung kann zu 100 % abgeschlossen sein, noch zu einem bestimmten Prozentsatz offen sein oder wurde vielleicht noch gar nicht begonnen.

Die Aufgabe besteht darin die Bewertungsskala zu adaptieren und auf die Kriterien neu auszurichten. Mit Hilfe einer Text-Status-Skala erfolgt die Mitarbeitendenbewertung anhand der Handlungen somit fällt der negative Aspekt der Bewertung weg, der demotivierend sein kann.

Ein weiteres Problem und Phänomen besteht in der Nachsichtsverzerrung, d.h. Führungskräfte tendieren dazu ihr Mitarbeitenden tendenziell besser zu bewerten. Bei der Zentralitätsverzerrung erfolgt die Bewertung in der Mitte der Skala und liefert ebenso wenig genaue Daten.

Weitere Studien zeigen eine andere Problematik auf, die sich im Zielsetzungsansatz zeigt und gerade bei agilen Organisationen Nachteile mit sich bringt.

Konkrete Ziele als Scheuklappen

Konkrete Ziele, die einen klaren Fokus vorgeben, können auch wie Scheuklappen wirken und so ein out-of-the-box Denken verhindern.[4]

Als bekanntes Beispiel wäre hier das Gorilla-Experiment der beiden Psychologen Christopher Chabris und Daniel Simons zu nennen. Dabei wurde Probanden die Aufgabe gestellt, sechs Basketballspieler zu beobachten, die sich gegenseitig den Ball zuwerfen. Drei waren in weißen T-Shirts gekleidet, drei trugen schwarze. Die Aufgabe bestand darin die Pässe der weiß gekleideten Spieler zu zählen. Irgendwann marschierte ein Schauspieler im Gorillakostüm durch das Bild, doch die meisten Probanden bemerkten das nicht einmal.

Demnach werden die aufdringlichsten Dinge übersehen, wenn die Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes gerichtet ist. Abgeleitet bedeutet es, dass spezifische Ziele blind machen können. Bei agiler und kreativer Arbeit wäre ein gewisses Maß an Ziel-Unschärfe somit hilfreich, um auf eine sich veränderte Umgebung reagieren zu können.

Ehrgeizige Ziele als Risiko

Zu ehrgeizige Ziele können die Selbstwirksamkeit der Menschen verschlechtern, die jedoch notwendig ist, wenn die Einstellung neugierig, offen und proaktiv sein soll.

Bei übermütigen Menschen erzeugen ehrgeizige Ziele einen so starken Willen, dass jedes Mittel für die Zielerreichung recht ist und ein Glücksspielverhalten hervorruft. Darüber hinaus kann es zu einer emotionalen Erschöpfung kommen, bis hin zu unethischen Verhaltensweisen.

Hinterfragt werden sollte auch die Zielvereinbarungen. Die SMARTen Ziele (spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch, terminiert) können vielfach in zahlreichen Aufgabenwelten nicht umgesetzt werden bzw. sind gar nicht sinnvoll. Ein hohes Maß an repetitiven Aufgaben in den unterschiedlichsten Berufen verfolgen gar kein Jahresziel, sondern allgemeine Leistungs- und Qualitätsstandards. Hier wäre es sinnvoller Standards bzw. gemeinsam vereinbarte Leistungs- und Qualitätsansprüche festzulegen, die selten den Einzelnen, meist jedoch mehrere Mitarbeitende betreffen. Dies würde lt. Armin Trost an vielen Stellen erheblich Zeit sparen, die Sinnhaftigkeit erhöhen und Irritationen vermeiden.

Zurückkommend auf die Bewertungen liegt lt. Branchenanalyst Josh Bersin der Schlüssel darin, viele Daten und das Feedback zu nutzen, um Entscheidungen auf transparente und faire Weise zu treffen, klar zu kommunizieren was im Unternehmen geschätzt wird und den Mitarbeitenden Einblick in die Ziele und Projekte anderer zu geben.

Die Entwicklung zeigt, dass Unternehmen die starren und aufwändigen Rating Systeme vermehrt durch fortschrittliche und alternative Performance Management Modelle ablösen (Donkor & Slobodjanjuk, 2014). Abhängig vom jeweiligen Unternehmenskontext scheint es angebracht das Instrument der Bewertungen zu hinterfragen bevor man sich überstürzt von Ratings verabschiedet.

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[1] Harvard Business Review, Frank V. Caspedes, 8.7.2022

[2] Studer, 2009, S. 24

[3] Seibt et al., 2017, S. 251

[4] The Dark Side of OKR, Antoinette Weibl, 2021